Zeitarbeit liegt im Trend. Warum Expertinnen und Experten von weiter wachsenden Zahlen ausgehen.
Flexibilität, Freizeit und immer wieder etwas Neues – das sind die Vorteile von Temporärstellen. Und die erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Seit der Pandemie erfährt die Temporärarbeit einen starken Anstieg. Nach einer kurzen Flaute im Jahr 2023 wird laut Expertinnen und Experten der Trend 2024 wieder an Schwung gewinnen. «Die Temporärarbeit wird nachwievor zunehmen. Wir sehen keine Anzeichen dafür, dass es im Jahr 2024 anders wird», sagt Véronique Polito. Die Vizepräsident in der Gewerkschaft Unia beobachtet den temporären Trend seit längerem. Vorallem aber die Pandemie habe die Entwicklung beschleunigt.
Beliebte Branchen und die Gründe
Besonders stark zugenommen hat die Temporärarbeit im Gesundheitsbereich sowie in der Handels- und Logistikbranche. Polito erklärt: «Im Gesundheitsbereich haben die schlechten Arbeitsbedingungen und der Dauerstress für die Beschäftigten den sogenannten „Pflexit“ beschleunigt. »Das heisst, ein Teil des Personals weiche auf flexiblere Einsätze in Spitälern und Heimen aus, um den Leistungsdruck und den Dauerstress zu entschärfen. Zahlen zum Pflexit liefert Sabina Neuhaus, Sprecherin des Personaldienst-leisters Coople. Laut dem nationalen Versorgungsbericht würden in der Schweiz bis 2029 insgesamt rund 36’500 Pflege-und Betreuungspersonen zusätzlich benötigt, da pro Monat 200 bis 300 Leute den Beruf verlassen. Im Handels- und Logistikbereich hat Corona die Arbeitsstrukturen beschleunigt. Der Online-Handel hat gegenüber dem stationären Handel noch stärker an Bedeutung gewonnen. Das hat den Personal bedarf in kurzer Zeit erhöht. Mehr Online-Bestellungen heisst auch mehr Päckli verteilen – doch die Nachfrage ist nicht immer gleich stark. Deswegen setzen Zustellbetriebe auf Temporärarbeit. Nachwievor ist der Personalmangel im Gewerbe gross. Konkret steigt die Nachfrage im IT-Bereich, aber auch in der Uhrenindustrie, vorallem in Grenzregionen. Auch die Baubranche kennt viele Temporärarbeitende. Der CEO von 4YouPersonal, Senol Uzunoglu, der Personen für die Bau- und Handwerksbranche sowie Logistik vermittelt, kennt den Grund: «Das liegt am Wandel der Baubranche. Die Baufirmen suchen teilweise Personal für einige Wochen. Beispielsweise bei einem Gebäudeabbruch reichen die Mitarbeitenden des Unternehmens nicht aus. Da greifen sie auf Temporäre zurück.» Ausserdem sei auch der Zeitdruck auf den Baustellen vorherrschend: «Die Entwicklung, dass alles schneller gemacht und erledigt werden muss ,trägt dazu bei, dass Temporäre immer beliebter werden.» Je schneller jemand in einem kurzen Zeitraum aushelfen könne, desto besser und desto schneller kann der Fokus auf die nächste Baustelle gelegt werden. Die Zahlen zur Temporärarbeit kennt Marius Osterfeld. Der Leiter Ökonomie und Politik bei Swissstaffing, einem Unternehmensverband für Personaldienstleister, blickt als Erstes auf das Jahr 2023 zurück, das schlechteste Jahr für Temporärstellen seit der Pandemie: «Mit einem Minus von 7,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr schliessen die Personaldienstleister gemäss dem Swiss-Staffingindex das dritte Quartal 2023 im Temporärgeschäft ab. Der Umsatz mit Feststellenstieg um 6,8 Prozent.» Die Gründe dafür sind vielfältig, die Kombination aus Arbeitskräftemangel und abflauender Konjunktur ist einer davon. Denn deshalb waren Stellensuchende aufgrund des Fachkräftemangels weniger schnell verfügbar. Der Temporärmarkt schrumpfte im Vergleich zum Jahr 2022 um 5,8 Prozent. Zusätzlich sanken in der Industrie die Auftragsbestände, was deren Nachfrage nach Temporärpersonal verringerte. Gewinner dieser Entwicklung waren die Vermittler von Feststellen: Fehlten Unternehmen Fachkräfte, suchten sie aufgrund des ausgetrockneten Arbeitsmarkts die Unterstützung von Personaldienstleistern, was für steigende Umsätze im Bereich der Feststellen sorgte. Ende 2023 jedoch kehrte der Trend laut Osterfeld, und die Nachfrage stieg wieder an. Der Trend soll nun anhalten.
Temporärarbeiten mit Vorsicht
Doch es lassen sich auch warnende Stimmen vernehmen. Véronique Polito von der Unia betont, dass Temporärstellen zwar gerade für junge Menschen eine gute Möglichkeit sein könnten, in der Arbeitswelt Fuss zu fassen. Aber: «Ich rate allerdings jedem und jeder davon ab, dauerhaft temporärangestellt zubleiben. Auch wenn wir dank des GAV Personalverleih die Arbeitsbedingungen in dem Bereich verbessern konnten, bleibt diese Anstellungsform sehr instabil.» Sozialversicherungstechnisch sei diese Anstellungsart von Nachteil, weil die Kündigungsfristen kurz sind und weil man bei Arbeitslosigkeit, Unfall une Krankheit nur beschränkt geschützt ist. Zudem führen die Beitragslücken zu tieferen Renten im Alter.
Quelle: www.handelszeitung.ch
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