Das Urteil
Ein Arbeitnehmer verlangte rund sechs Jahre nach Beendigung seines Arbeitsverhältnisses die Berichtigung seines Arbeitszeugnisses. Die Arbeitgeberin machte geltend, dass der Berichtigungsanspruch des Arbeitnehmers zwischenzeitlich verjährt sei – und lehnte ab. Ein Fall, der dem Bundesgericht erstmals Gelegenheit bot, sich zur Frage der Verjährung des Zeugnisanspruchs zu äussern.
Gemäss Art. 330a Abs. 1 OR kann der Arbeitnehmende jederzeit vom Arbeitgebenden ein Zeugnis verlangen. Die Verjährung des Zeugnisanspruchs untersteht den allgemeinen Vorschriften des Obligationenrechts über die Verjährung. Grundsätzlich verjähren Ansprüche nach Ablauf von zehn Jahren (Art. 127 OR). Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmenden (Art. 128 Ziff.3 OR) verjähren zudem bereits nach fünf Jahren.
Das Bundesgericht musste sich somit ausführlich mit der Abgrenzung von Art. 127 und Art. 128 Ziff. 3 OR auseinandersetzen. Es kam zum Schluss, dass Art. 128 Ziff. 3 OR nur restriktiv anzuwenden sei und nur monetäre Forderungen im Zusammenhang mit der Hauptleistung des Arbeitnehmenden erfasst. Wenn Art. 128 Ziff. 3 OR auf alle Ansprüche der Arbeitnehmenden aus dem Arbeitsverhältnis ausgeweitet würde, benachteiligte dies ungerechtfertigterweise die Arbeitnehmenden im Gegensatz zum Arbeitgebenden. Der Anspruch auf Ausstellung oder Berichtigung eines Arbeitszeugnisses ist zwar vermögensrechtlicher Natur, weist jedoch keine Merkmale einer Lohnforderung auf. Der Anspruch unterliegt deshalb der generellen Verjährungsfrist von zehn Jahren.
Gemäss Bundesgericht spricht für die kürzere Verjährungsfrist von fünf Jahren auch nicht der Umstand, dass die Beweisführung erschwert wird, wenn zwischen dem Ende des Arbeitsverhältnisses und der Klageerhebung ein langer Zeitraum liegt. Vorbehalten bleiben allerdings Fälle von Rechtsmissbrauch. Rechtsmissbräuchlich handelt beispielsweise ein Arbeitnehmender, der absichtlich den Tod der zuständigen Person oder die Vernichtung der entsprechenden Unterlagen abwartet, bevor er ein Arbeitszeugnis oder dessen Berichtigung verlangt. In diesem Fall kann er sich nicht auf die Verjährungsfrist von zehn Jahren berufen. Kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen liegt gemäss Bundesgericht hingegen vor, wenn ein Arbeitnehmender, der eine neue Stelle gefunden hat, kein Arbeitszeugnis verlangt, weil er davon ausgeht, dass er dieses nicht benötigt. Wird er sechs Jahre später von seinem neuen Arbeitgebenden entlassen und stellt fest, dass er eine Arbeitszeugnis von seinem ehemaligen Arbeitgebenden braucht, um seine Bewerbungsunterlagen zu vervollständigen, so ist die Forderung danach nicht rechtsmissbräuchlich.
Konsequenz für die Praxis
Die Ausstellung eines Arbeitszeugnisses Jahre nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann für Arbeitgebende schwierig sein, wenn die dafür notwendigen Unterlagen nicht mehr vorhanden sind. Arbeitgebende sollten deshalb sicherstellen, dass Leistungsbewertungen und andere für die Ausstellung von Arbeitszeugnissen relevante Unterlagen während zehn Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufbewahrt werden. Vorbehalten bleiben Fälle von Rechtsmissbrauch: Arbeitnehmende, die mit Ihrer Forderung auf Ausstellung eines Arbeitszeugnisses bewusst zuwarten, bis die massgebenden Unterlagen vernichtet worden sind, oder der verantwortliche Vorgesetzte aus der Firma ausgeschieden ist, verwirken ihr Recht auf ein Arbeitszeugnis.