Temporärarbeit in der Pflege verdient Neubeurteilung

Das Pflegepersonal ächzt unter dem Fachkräftemangel. Vielerorts helfen Personaldienstleister, dringend benötigtes Personal für Gesundheitseinrichtungen zu finden. Womit sie doppelt zur Problemlösung beitragen: Einerseits gelingt es dank des Einsatzes der Branche, Lücken zu schliessen. Und Fachkräfte, die Flexibilität suchen, gehen der Branche andererseits dank moderner Einsatzmodelle nicht ganz verloren. Mit innovativen Modellen trägt die Temporärbranche sogar dazu bei, dass die Zusammenarbeit zwischen Festangestellten und Temporären zu einer Win-win-Situation wird.

Viele Pflegefachkräfte wünschen sich flexiblere Arbeitszeiten und Anstellungsbedingungen. (Bild: zVg)

In den Spitälern ist die Zunahme der Temporärarbeit in den letzten Monaten zum viel diskutierten Thema geworden. Insbesondere im Pflegebereich nutzen zunehmend Arbeitskräfte diese Beschäftigungsform und die damit einhergehende Flexibilität bei Arbeitszeiten und -einsätzen. Festangestellte Mitarbeitende fühlen sich im Gegenzug teilweise benachteiligt. Einige Spitäler denken als Arbeitgeber über eine regulatorische Beschränkung des Anteils Temporärarbeitenden nach. Sie befürchten eine Sogwirkung der Temporärarbeit gegenüber der Festanstellung aufgrund besserer Arbeitsbedingungen, Auswirkungen auf die Qualität aufgrund von zu vielen Kurzeinsätzen und Mehrkosten aufgrund der Marge der Personalverleiher.

Pflegepersonal will mehr Flexibilität

Die Vorstellung, durch eine Beschränkung der Temporärarbeit liesse sich das heutige temporäre Pflegepersonal in eine Festanstellung «zwingen» (beziehungsweise die umgekehrte Bewegung vermeiden), trifft nicht zu. Während sich dieser Effekt wohl bei manchen Personen erreichen liesse, würden andere ohne die Option Temporärarbeit beziehungsweise ein hohes Mitspracherecht bezüglich der Arbeitszeiten und -einsätze die Branche ganz verlassen.

Dies legen jedenfalls die Resultate einer gfs-Umfrage zu den Motiven der Temporärarbeitenden nahe: Mehr als die Hälfte der Temporärarbeitenden im Gesundheitswesen nennt «Work-Life-Balance» und «Freiheit der Selbständigkeit» als Motive für ihren Temporäreinsatz, fast die Hälfte nennt die Möglichkeit, zeitweise in verschiedenen Unternehmen und Branchen zu arbeiten. Die Werte für die Angabe diese Freiheitsmotive sind im Gesundheitsbereich signifikant höher als im Durchschnitt aller Temporärarbeitenden. In einer Umfrage der Online-Plattform Coople bei ihren flexiblen Pflegekräften nennen über drei Viertel die freie Einteilung ihrer Arbeitszeit als Motiv für ihre Entscheidung, temporär zu arbeiten.

Personaldienstleister als Problemlöser

Vor dem Hintergrund dieser enorm hohen Werte für diese freiheitsbezogenen Motive scheint die Gefahr äusserst gross, dass ein erheblicher Teil dieser Pflegefachkräfte den Pflegebereich ganz verlassen würde, wenn sie im Pflegebereich in ein engeres Korsett gezwungen würden. Somit ist nicht die Temporärarbeit das Problem, sondern die herrschenden Bedingungen am Arbeitsplatz, die dem Personal nicht die gewünschte Flexibilität garantieren können.

Somit sollte auch die Rolle der Personaldienstleister anders bewertet werden. Sie lösen hier im Grunde ein akutes Problem im Interesse von Gesundheitswesen und Gesellschaft: Die Temporärarbeit ist das Instrument, dank dem ein Teil der Pflegefachkräfte überhaupt im Beruf gehalten werden beziehungsweise zum Wiedereinstieg bewegt werden kann. Sie einzuschränken, würde den Fachkräftemangel weiter verschärfen und insbesondere im Fall situativer Personalengpässe auch das Wohl der Patientinnen und Patienten gefährden. Dies kann nicht im Sinn von Spitälern und anderen Gesundheitseinrichtungen sein.

Innovative Modelle sorgen für faire Arbeitsteilungen zwischen Festangestellten und Temporärarbeitenden Selbst der viel gehörte Vorwurf, dass Temporärarbeitende auf Kosten der festangestellten Belegschaft attraktive Schichten abkriegen, ist keine zwingende Folge der Temporärarbeit an sich. Im Gegenteil: Wenn es um die Verteilung von Schichten geht, haben mehrere Personaldienstleister inzwischen den Beweis erbracht, dass mit den richtigen Modellen die Wahlfreiheit der Festangestellten bezüglich Schichten sogar steigt.

Zum Beispiel hat ein Unternehmen, das mehrere Einrichtungen im Pflegebereich führt, einen spannenden Ansatz entwickelt, der sich an das Tetris-Spiel anlehnt. Dienstpläne werden von den Mitarbeitenden eigenständig in Teams erstellt. Erst danach kommen die Temporären zu Zug: Sie füllen die Lücken, die sich ergeben. Also die verbleibenden Schichten, die zu ihren persönlichen sowie beruflichen Situationen und Zeitplänen passen. So kann es vorkommen, dass Mütter Familien- und Betreuungsarbeiten nachkommen, aber gerne zwischendurch flexibel, am Abend oder am Wochenende arbeiten möchten. Durch so ein Setup etwa kann das Segment der Wiedereinsteigenden reaktiviert werden, das der Branche sonst verschlossen bleibt. Dasselbe bei jüngeren Arbeitnehmenden, die sich beispielsweise in der Aus- oder Weiterbildung befinden.

Das Bedürfnis der Temporärarbeitenden nach Selbstbestimmung wird geachtet und passt wunderbar zu den Lebensumständen aller Beteiligten. Für beide Seiten – Festangestellte wie Temporärpersonal – ergibt dieses Modell eine Win-win-Situation.

Zudem bilden einige Spitäler und Gesundheitseinrichtungen vermehrt nun Personalpools, um interne Lücken zu füllen, und lassen sich dabei von den Modellen und Rezepten der Temporärbranche sehr direkt inspirieren. Was auch als Kompliment für die Dienstleistungs- und Innovationskraft der Branche als Problemlöserin verstanden werden kann.

swissstaffing, der Arbeitgeberverband der Personaldienstleister, lehnt Einschränkungen der Temporärarbeit aus diesen Gründen aber als ungerechtfertigten Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit ab. Die Diskussion im Pflegebereich gründet teilweise auf falschen Annahmen und eine Einschränkung wäre gerade in einem Bereich mit ausgeprägtem Personalmangel hochgradig kontraproduktiv: Die Leidtragenden wären nicht nur Patientinnen und Patienten, sondern auch das Personal, das ohnehin schon unter grossem Druck steht.

Quelle: www.hrtoday.ch

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